2017 hat die Mühle Walther AG im Besitz der Familie Reinhard den Mühlenbetrieb in Bolligen eingestellt und die Produktion nach Oey-Diemtigen verlegt. Nach der Stilllegung des Produktionsbetriebs suchte die Familie Reinhard nach Ideen für die künftige Nutzung des Areals – mit dem Ziel, die fällige Sanierung des historischen Mühlengebäudes von 1896 in ein stimmiges Konzept für das ganze Areal einzubetten. Nur eine Gesamtlösung ermöglicht die langfristige Sicherung und Aufwertung der ikonischen Gebäudegruppe. Eine Testplanung (Verfahren nach der Qualitätsnorm 143 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA) zeigte 2019 mögliche bauliche Entwicklungen auf dem Areal auf. Gestützt auf den Projektvorschlag der Projektgemeinschaft kpa architekten (Fribourg), Bellorini Architekten AG (Bern) und Weber+Brönnimann Landschaftsarchitekten und Ingenieure AG (Bern) wurde ein Richtprojekt erarbeitet. Das zentral gelegene und gut erschlossene Areal besser zu nutzen, entspricht dem Gebot der haushälterischen Bodennutzung: Statt neues Land zu überbauen, wird ein bestehendes Industrieareal umgenutzt. Das Projekt steht in Einklang mit dem revidierten eidgenössischen Raumplanungsgesetz von 2014, das die Siedlungsentwicklung nach innen priorisiert.
Ein Gewerbepark mit grösseren Betrieben würde mehr Fahrten und Lärmemissionen als ein Wohngebiet erzeugen. Das Areal ist dafür ungeeignet, weil es von Wohngebieten (bestehenden oder geplanten Überbauungen) umgeben ist. Da die historischen Gebäude denkmalpflegerisch geschützt sind und erhalten werden müssen, sind die verbleibende Parzellengrösse und Gebäudeformate nicht attraktiv für grössere Gewerbebetriebe. Die erforderlichen Nutzungsformate und Flächenbedürfnisse passen nicht dazu.
Das Areal befindet sich heute in der Arbeitszone, andere Nutzungen sind ausgeschlossen. Daher soll das Gebiet in eine Zone mit Planungspflicht (ZPP) umgezont werden. Die Umzonung ermöglicht vielfältige Nutzungen: Wohnungen, Dienstleistungsangebote, öffentliche Nutzungen und stilles Gewerbe. Ebenso ist ein öffentlicher Park vorgesehen. Der Bebauungsraum ist durch denkmalgeschützte Gebäude, Ortsbilderhaltungsperimeter, Worble und Bahngeleise detailliert definiert. Die ZPP legt den Standort, die Höhe, die Grösse und die Kubatur der neuen Gebäude fest. Das auf der Basis einer Testplanung entwickelte Richtprojekt bildet die Grundlage für die Vorschriften in der neuen ZPP XIV Wegmühle. Nach deren Beschluss durch die Gemeindeversammlung wird der Gemeinderat eine Überbauungsordnung (UeO) erlassen, worin – gestützt auf das Richtprojekt – die Details der Überbauung geregelt werden. Das spätere Bauprojekt muss die Vorschriften vollumfänglich erfüllen, unabhängig von den dannzumal herrschenden Besitzverhältnissen. Ob die Mühle Walter AG das Areal vollständig an interessierte Investoren abtritt oder einen Teil behält und selbst weiterentwickelt, ist noch offen. Sowohl für den Erlass der Überbauungsordnung wie auch für das Baubewilligungsverfahren gelten die Verfahrensbestimmungen der kantonalen Baugesetzgebung. Das rechtliche Gehör wird in beiden Verfahren mit der öffentlichen Auflage der Planungsakten gewährt.
Ohne eine neue, bessere Nutzung des gesamten Areals lohnt sich die Sanierung der historischen Gebäude nicht. Da keine Sanierungspflicht besteht, werden das Dach, die Gebälke, der Sandstein etc. zwangsläufig Schaden nehmen. Um Leerstand zu vermeiden, sind bei einer Ablehnung Zwischennutzungen und Vermietungen ohne Gesamtkonzept und ohne Mehrwert für die Bevölkerung wahrscheinlich.
Die Umzonung ermöglicht vielfältige Nutzungen: Wohnungen, Dienstleistungsangebote, öffentliche Nutzungen und stilles Gewerbe. Um das Hauptgebäude der Wegmühle freizuspielen und als Zentrum des Areals zu betonen, wird der Verladehangar abgebrochen. Südlich entsteht etappenweise eine Überbauung mit Wohnungen in den oberen Stockwerken. Dank unterschiedlicher Höhe der einzelnen Gebäude (3 bis 7 Geschosse) entsteht eine vielfältige Siedlung, die sich sensibel in den historischen Kontext einfügt. In den Erdgeschossen sind verschiedene Angebote, Dienstleistungen und Tätigkeiten möglich, z.B. Fitnessstudio, IT-Betrieb, Coiffeursalon, Tanzstudio, Architekturbüro, Restaurant, Kultur- und Dienstleistungsangebote (Atelier, Arztpraxen, Büros) und Bildung (Kursräume, Schule). Die Rückseite der Neubauten in Richtung Geleise eignet sich für Wohnateliers: Eine Ärztin oder ein Physiotherapeut wohnt in einem oberen Stock und hat im Erdgeschoss eine Praxis. Die gewerbliche Nutzung ist nach Westen orientiert, womit Lärmkonflikte vermieden werden. Im nördlichen Teil des Areals in Richtung RBS-Haltestelle markiert ein dreigeschossiger Ergänzungsbau mit öffentlicher Nutzung den Auftakt zum neuen Quartier und stellt optisch eine Beziehung zum Dorfzentrum her. Das in Absprache mit der Denkmalpflege konzipierte Gebäude lehnt sich in Volumen und Gestaltung an die bestehenden, historischen Gebäude an. Zwischen der Überbauung und der Worble entsteht ein öffentlicher Park. Der angrenzende Weg führt direkt zur Wegmühle beziehungsweise zur Worble.
Die Silobauten aus den Jahren 1930 und 1964 werden heute für die Getreidelagerung genutzt und bleiben in Betrieb. Hier lagert das Getreide, das die Mühle Walter AG unter dem Label 100% Bern – «hier gewachsen, hier gemahlen, hier gebacken» – vermarktet. Die Silos haben den Status eines Bundespflichtlagers. Die Mühle Walther AG plant, die Fassaden in zwei Jahren zu sanieren und im bisherigen Farbton neu zu streichen. In der Zone mit Planungspflicht (ZPP) Nr. XIV Wegmühle ist eine Besitzstandgarantie für die Silos verankert. Ein Ersatzbau für die Silos bzw. der Umnutzung wird in 20 bis 30 Jahren zum Thema, wenn die beiden nicht denkmalgeschützten Industriebauten das Ende ihrer Lebensdauer erreichen. Dannzumal besteht die Möglichkeit, die Silos weiterhin als Lager zu nutzen, die Türme für Wohnzwecke umzunutzen oder einen Ersatzbau mit Wohnungen zu erstellen. Je nach baulichen Massnahmen wären gegebenenfalls die Qualitätsvorgaben des Regionalen Hochhauskonzepts Bern (HHK) zu erfüllen. Das Potenzial liegt bei rund 20 Wohnungen.
Die kantonale Denkmalpflege hat den geplanten Eingriffen auf dem Wegmühle-Areal zugestimmt. Ihr Fazit: Für die bauliche Verdichtung sind die richtigen Orte auf dem Gelände vorgesehen. Die geplante neue Nutzung wertet die historische Bausubstanz dank gezieltem Rückbau von späteren, störenden Erweiterungsbauten und den grosszügigen Parkraum entlang der Worble auf. Das differenzierte Nutzungskonzept für das Hauptgebäude mit einem grossen Öffentlichkeitsgrad ist sinnvoll. Die Freilegung und Integration der Gewässer machen die Spuren der ersten Industrialisierung, der Weltkriege sowie der Nachkriegszeit lesbar und stärken ihre identitätsstiftende Bedeutung. Dem Projekt gelingt es laut Denkmalpflege, die Atmosphäre und die Aura des Ortes zu vermitteln.
In der ersten Etappe werden fünf Gebäude mit insgesamt rund 50 Wohnungen erstellt und darunter eine Einstellhalle gebaut. Davon sind die Hälfte bis zwei Drittel Familienwohnungen, also Wohnungen mit 3,5 bis 5,5 Zimmern. In den Wohnungen sind auch Wohngemeinschaften möglich, für junge Menschen ebenso wie für ältere (Alters-WG). Die zwei Wohnblöcke aus den 1960er-Jahren (Rörswilstrasse 62 und 64) mit 22 Wohnungen bleiben erhalten. Die vor wenigen Jahren sanierten Gebäude haben eine Lebensdauer von weiteren 20 bis 25 Jahren. Erst danach werden sie durch Neubauten mit 20 bis 30 Wohnungen ersetzt (zweite Etappe). Gebaut wurden die zwei Mehrfamilienhäuser seinerzeit für die Mitarbeitenden des Mühlenbetriebs. Auf dem Areal waren in den 1960er-Jahren 20 bis 30 Personen beschäftigt. Wohnungen für Mitarbeitende waren damals in der Industriezone im Gegensatz zu heute erlaubt. Aufgrund der Planungsvorlage besteht auch die Möglichkeit, später die beiden Silotürme umzunutzen oder zu ersetzen (dritte Etappe) Hier liegt das Potenzial bei rund 20 Wohnungen; mit einer Realisierung
ist in 20 bis 30 Jahren zu rechnen. Wohnungen befinden sich auch künftig in allen geschützten Gebäuden; im Hauptgebäude der Mühle ist Wohnnutzung nur in den Anbauten möglich.
Eine Kita wäre im Erdgeschoss eines Neubaus auf Seite des Parks möglich. Bei Interesse kann die Gemeinde mit der künftigen Bauherrschaft Gespräche führen. Eine Kita vorzuschreiben, wäre aber nicht sinnvoll: Die Nutzungsplanung für das Areal ist auf einen langen Horizont angelegt; in der Gemeinde entstehen gegenwärtig weitere Kita-Angebote und sind teilweise schon in Gemeindeliegenschaften eingemietet.
Mit einem Baustart für die erste Etappe (fünf Neubauten mit rund 50 Wohnungen und Einstellhalle) ist frühestens im Laufe von 2026 zu rechnen. Die Bauarbeiten dauern rund zwei Jahre. Voraussetzung ist das Ja der Stimmberechtigten zur Zone mit Planungspflicht Nr. XIV Wegmühle. Nach einem positiven Entscheid folgen vertiefte Gespräche mit interessierten Investoren. Die Erarbeitung und der Erlass der Überbauungsordnung kann nach dem positiven Gemeindeversammlungsbeschluss Anfang 2024 an die Hand genommen werden. Die Genehmigung der Überbauungsordnung durch den Kanton bildet die Voraussetzung für die Baubewilligung des Bauprojekts. Sowohl für den Erlass der Überbauungsordnung wie auch für das Baubewilligungsverfahren gelten die Verfahrensbestimmungen der kantonalen Baugesetzgebung. Das rechtliche Gehör wird in beiden Verfahren mit der öffentlichen Auflage der Planungsakten gewährt. Vorgezogen wird eventuell die Sanierung der Altbauten; hierfür ist höchstens eine kleine Baubewilligung nötig. Die Sanierungsarbeiten beginnen voraussichtlich im Frühling oder Sommer 2024.
Für das Heizen und Kühlen lässt sich das Grundwasser nutzen, wie Abklärungen ergeben haben. Als Alternative sind Luftwärmepumpen denkbar. Für die Stromerzeugung werden auf den Dächern der Neubauten Photovoltaik-Anlagen installiert. Angestrebt wird eine nahezu 100 prozentige erneuerbare und CO2-neutrale Energieversorgung, also ein energieautarkes Areal. Keine Option ist der Anschluss an die Fernwärme; der Wärmeverbund Stettlen plant keine Querung der Worble.
Bei allen Grünflächen auf dem Areal ist eine standortgerechte Bepflanzung vorgesehen. Neophyten werden während der Bauzeit und danach mit Pflege- und Vorsorgemassnahmen bekämpft. Die Kopfweidenreihe entlang des Mühlekanals wie auch der Kanal bleiben erhalten. Der Mühlekanal wird in verschiedenen Abschnitten freigelegt. Gegenüber heute lässt sich der Anteil an unversiegelter Fläche auf dem Areal dank klug verdichteter Bebauung leicht erhöhen.
Die Umzonung führt zu einem planerischen Mehrwert auf den betroffenen Parzellen. Dank Mehrwertabschöpfung kann die Gemeinde laut einem Gutachten mit Einnahmen von rund 2.5 Mio Franken rechnen. Tendenziell führen neue Wohnungen an zentraler Lage auch zu höheren Steuereinnahmen; angesichts des langen Realisierungshorizonts der Überbauung prognostiziert die Gemeinde diesbezüglich aber keine Mehreinnahmen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Mehreinnahmen auch gewisse Mehrbelastungen gegenüberstehen, z.B. beim Schulraum.