Areal mit bewegter Geschichte

Das Wegmühle-Areal ist eine erstmals 1275 erwähnte Mühle mit dazugehörigem Herrenhaus in Bolligen. Sie besteht im Wesentlichen aus dem Mühlengebäude von 1787 mit direkt anschliessendem Eisenbahnhangar und Güterschuppen, dem Herrenhaus von 1669, den älteren Mühlengebäuden von 1613 sowie den Getreidesilos von 1930 und 1964. Seit 2017 ist die Mühle stillgelegt, in den Silotürmen lagert weiterhin Getreide.

Das Areal hat eine wechselvolle Gewerbe- und Industriegeschichte hinter sich. Im Mittelalter wurden hier Getreide gemahlen, Flachs und Hanf gerieben und Holz gesägt. 1786/87 bauten neue Besitzer das heute noch erhaltene grosse Mühlengebäude für die Herstellung von Papier. Das eisenarme Wasser der Worble eignete sich bestens zur Papierproduktion. 1839 wurde der Betrieb wegen der wachsenden Konkurrenz des maschinell hergestellten Papiers und als Folge der neuen Gewerbefreiheit eingestellt.

Danach richtete der neue Besitzer im Mühlengebäude eine «Kunst- und Handelsmühle» ein. Daneben befanden sich auf dem Areal eine Bäckerei, Magazine für Frucht, Mehl und Kleie, eine herrschaftliche Wohnung für den Müller, fünf Knechtenzimmer, eine Stallung für sechs Pferde und Nebengebäude. 1876 ersteigerte Müllermeister Johann Walther die Mühle. Bei der weiteren Entwicklung war sein aus der Schermenmühle Ostermundigen stammende Neffe, der Müllermeister Otto Walther (1875–1955), die treibende Kraft. Er hatte in Deutschland und Frankreich das automatische Mahlverfahren kennen gelernt – hierfür war die Wegmühle dank des grossen Gebäudes und der guten Verkehrsanbindung bestens geeignet. 1902 konnte Otto Walther seinen Plan umsetzen.

1913 erhielt das Areal einen Gleisanschluss an die im gleichen Jahr eröffnete Worblentalbahn; ebenso wurden die bisherigen Pferdefuhrwerke durch einen «Berna»-Motorwagen ersetzt. Der Umbau auf vollautomatischen Betrieb erfolgte wegen des Ersten Weltkrieges erst 1920: 14 elektrisch betriebene, doppelte Walzenstühle wurden eingebaut. 1930 wurde im Interesse der Landesversorgung der 37 Meter hohe Silobau erstellt und 1963/64 durch den 45 hohen Turm ergänzt.

Alle historisch wertvollen Gebäude bleiben mit der neuen Nutzung des Areals erhalten: die Wegmühle, die zwei Stöckli, die ehemalige Fuhrhalterei, der Gleisbogen, die beiden Silos. Abgebrochen oder durch Neubauten ersetzt werden störende Flachdachanbauten und Nebengebäude (Hangar, Verladerampe).

Zeichnung von 1671: die Wegmühle im Vordergrund, Bolligen im Hintergrund – links Herrenhaus, rechts Lehenhaus. (Historisches Museum Bern)
Die Wegmühle um 1780: Wenige Jahre später entstand auf dem Gelände eine Mühle für die Papierherstellung. (Kunstmuseum Bern)
Mülleratlas 1797/98: Wegmühlegut und die Bauten der Papiermühle. Das eisenarme Wasser der Worble eignete sich gut für die Papierherstellung. (Familienarchiv Reinhard)
Foto von 1923: die Säge, das Stöckli und die Kundenmühle – rechts im Hintergrund sind der Nordteil des Lumpenschuppens und am rechten Bildrand die Mühlenscheune erkennbar. (Familienarchiv Reinhard)
Im Interesse der Landesversorgung: 1930 wurde der 37 Meter hohe Getreidesilo erstellt. Der zweite Turm folgte 1963. (Familienarchiv Reinhard)